Mit den Brüdern Grimm in Kasachstan
Nach dem Zerfall der Sowjetunion erlangte auch die frühere kasachische Teilrepublik (Kasachische Sozialistische Sowjetrepublik: Казахская Социалистическая Советская Республика) ihre Unabhängigkeit. Heute gehört Kasachstan mit 2,7 Millionen Quadratkilometern zu den zehn größten Staaten der Erde. Auf der Basis großer Erdöl- und Gasvorkommen sowie durch das Vorhandensein bedeutender weiterer Bodenschätze entwickelt sich das Land zwischen Rußland und China ähnlich dynamisch wie die Staaten am Golf. Die neue Hauptstadt Astana (Астана) gleicht in Vielem den arabischen Metropolen Dubai oder Abu Dhabi am Persischen Golf. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Deutsche aus dem Wolgagebiet nach Kasachstan deportiert und zur Zwangsarbeit herangezogen; nach dem Krieg wurden auf diesem Gebiet Lager für deutsche Kriegsgefangene eingerichtet. Nach 1990 kehrten die meisten sog. „russischen Deutschen“ (русские немцы; etwa 2 Millionen) nach Deutschland zurück; heute leben noch etwa 180.000 Deutschstämmige in Kasachstan und haben sich dort in der Gesellschaft „Wiedergeburt“ (Возрождение) neu organisiert. Die Brüder Grimm-Gesellschaft unterhält seit vielen Jahren Beziehungen zu kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Kasachstan. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Begründer der neueren kasachischen Sprache und Literatur Abaj (Ibrahim) Qunanbajuly (kasachisch: Абай (Ибраһим) Құнанбайұлы; 1845–1904) zu, der für sein Land eine ähnliche Bedeutung wie Luther, Goethe und die Brüder Grimm besitzt. Im großen Abaj-Museum in der ostkasachischen Stadt Semej (früher: Semipalatinsk, russ.: Семипалатинск) organisierte die Brüder Grimm-Gesellschaft im Sommer 2015 eine große Ausstellung zu Leben und Werk der Brüder Grimm, die in russischer und kasachischer präsentiert und von vielen Tausenden Besuchern besucht wurde. Zur Finissage der Ausstellung am 9.2.2016 organisierten das Abaj-Museum und die Brüder Grimm-Gesellschaft eine wissenschaftliche Tagung über „Probleme der Museologie am Beispiel literarischer Museen“, an der zahlreiche Professoren und Museumsfachleute sich austauschten. Ferner wurde an der Universität Semej eine mehrstündige Veranstaltung zu den Brüdern Grimm organisiert, an der etwa 100 Studenten teilnahmen. Von Semej wurde die Ausstellung weiter nach Pavlodar (russ.: Павлодар) transportiert und dort am 11.2.2016 ein weiteres Mal eröffnet; das Leben und Wirken der Kassel Märchensammler und Sprachforscher wird dort nunmehr bis April 2016 zu sehen sein und danach durch weitere Städte Kasachstans wandern. Auch in Pavlodar wurde zu der Ausstellung ein umfangreiches museumspädagogisches Begleitprogramm organisiert. Die Medien in Semej und in Pavlodar, auch die regionalen Fernsehsender, haben zugleich sehr ausführlich über die Brüder Grimm, über Hessen und seine authentischen Grimm-Stätten berichtet. Für die Kasseler Sammlungen am Brüder Grimm-Platz brachten die Veranstaltungen viele neue Materialien zur Wirkungsgeschichte der Brüder Grimm. Der Geschäftsführer der Brüder Grimm-Gesellschaft und Kurator der Ausstellungen in Kasachstan hat von dort zahlreiche neue illustrierte Ausgaben der Grimmschen Märchen in kasachischer und russischer Sprache sowie weitere Objekte mitgebracht, die unsere Sammlungen erfreulich bereichern. Die kasachische Fluggesellschaft Astana Air hat schließlich in der Februar-Ausgabe ihres Flight Journals „Tengri“ den Brüdern Grimm einen großen Leitartikel gewidmet und darin insbesondere Kassel mit einer doppelseitigen farbigen Abbildung der Löwenburg, aber auch Hanau, Steinau und Marburg gewürdigt. Weitere Impressionen mit Bildern aus Semej und Pavlodar findet man auf unserer Facebook-Seite. Edit: Die Deutsche Allgemeine Zeitung aus Kasachstan hat einen lesenswerten Artikel zur Ausstellungseröffnung in Pawlodar veröffentlicht: “Die Gebrüder Grimm im Pawlodar“