Ausstellung: 200 Jahre Bremer Stadtmusikanten
200 Jahre Bremer Stadtmusikanten Ausstellung im Kreishaus Kassel · 2.5. bis 31.5.2019 Wilhelmshöher Alle 19-21 · 34117 Kassel Eintritt frei · Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr Das Märchen von den „Bremer Stadtmusikanten“ kennen wir seit der zweiten Ausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“, die im Sommer 2019 von Jacob und Wilhelm Grimm in ihrer Wohnung in der nördlichen Torwache am Wilhelmshöher Platz (heute: Brüder Grimm-Platz) für den Druck bei Georg Reimer in Berlin vorbereitet wurde. Die Brüder Grimm haben dem Märchen zwar seinen Namen gegeben, es hat aber – wie fast alle Geschichten ihrer Sammlung – eigentlich nichts mit dem beigegebenen Ort zu tun. Es ist weder in Bremen entstanden, noch lassen sich konkrete geographische Kennzeichen dieser Stadt oder ihrer Umgebung im Text finden. Und die Stadtmusikanten sind dort ja auch gar nicht angekommen. Vielmehr ist die örtliche Zuordnung des Märchens eher zufällig und durch seine besondere Überlieferungsgeschichte bedingt. Der Stoff der wie Menschen handelnden Tiere, die durch Klugheit und Kooperation ihr Ziel erreichen, ist uralt und schon in antiken Fabelwerken belegt, etwa im sog. „Froschmäusekrieg“ (altgriech: Βατραχομυομαχία), einem unter dem Namen Homers überlieferten Sammelwerk aus späthellenischer Zeit, das in Form einer Parodie auf die Epen des „Urvaters“ der antiken Literatur einen Krieg zwischen Fröschen und Mäusen schildert. Angelehnt an die Fabel von Frosch und Maus des Äsopus werden verschiedene Episoden geschildert, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit didaktisch aufgewertet weiteste Verbreitung erfuhren und vor allem auf die moralphilosophischen Adaptationen der Reformationszeit einwirkten. Erzählungen von entlaufenen Tieren auf Wanderschaft, die in einem leerstehenden Haus übemachten und einen dort eindringenden Wolf verjagen, finden sich beispielsweise auch in mittelalterlichen Tierfabeln, etwa im lateinischen „Ysengrimus“ (um 1148) des Genter Magisters Nivardus oder im altfranzösischen „Roman de Renart“ aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Weiter ausgestaltet findet sich die Geschichte auch in Deutschland später in einem Meisterlied des Hans Sachs aus dem Jahr 1551 und in der didaktischen Sammlung des sog. „Froschmeuseler” (begonnen 1569; zuerst erschienen in Magdeburg 1595) des Georg Rollenhagen, und zwar unter dem Titel „Der Ochs und der Esel stürmen mit ihrer Gesellschaft ein Waldhaus“. Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm nahmen zwar in ihrer Märchensammlung auch auf die genannten schriftlichen Quellen Bezug, schöpften ihre Textversion jedoch mehr aus mündlichen Quellen: „nach zwei Erzählungen aus dem Paderbörnischen“ und nach einer dritten „aus Zwehrn“, womit als Beiträger die Familie der Freiherren v. Haxthausen und unsere Niederzwehrener „Märchenfrau“ Dorothea Viehmann gemeint sind. Der Titel „Bremer Stadtmusikanten“ stammt vermutlich von August v. Haxthausen und ist ja auch inhaltlich motiviert, denn Bremen war die Stadt hanseatischer Freiheiten, ein Sehnsuchtsort, von dem viele mit großer Hoffnung auf ein besseres Leben in die „Neue Welt“ auswanderten. Bis heute kann man die Geschichte sozialutopisch ausdeuten und angesichts der zur Zeit stattfindenden Armutsdislkussion sogar aktuelle Bezüge herstellen. In unserer Ausstellung dokumentieren wir – im Erdgeschoß – zunächst die wichtigsten historischen Quellen des Märchens durch Zeugnisse der schriftlichen Überlieferung sowie durch Porträts der Märchenbeiträger. Aus der Wirkungsgeschichte der „Stadtmusikanten“ werden viele Illustrationen präsentiert: von George Cruikshank, der für die englische Ausgabe der „German Popular Stories“ (London 1823) die allererste Illustration schuf, bis zu modernen Bilderbogen, Schulwandbildern, Karikaturen, Porzellanfiguren, Brief- und Reklamemarken und vielem mehr. Daß die „Stadtmusikanten“ ihren Weg nicht nur nach Bremen einschlugen, sondern auch in anderen Ländern und auf anderen Erdteilen eine Heimat gefunden haben, zeigen beispielsweise der unter dem Titel „De Amsterdammer Stadsmuziekanten“ in Turnhout um die Mitte des 19. Jahrhunderts erschienene große farbige Bilderbogen, aber auch zahlreiche Ausgaben aus Afrika, Amerika und Asien, die wir im oberen Geschoß präsentieren. Besonders eindrucksvoll ist dabei eine große Bilderfolge aus dem Niger, in der die dortigen Stadtmusikanten erfolgreich mit den Terroristen von Al Kaida kämpfen. Eine besonders langwirkende Rezeption erfuhr das Märchen in der Sowjetunion und in Rußland, wo bis heute mehr als hundert verschiedene Ausgaben und Künstler dokumentiert werden können. Aus Platzgründen konnten wir in der Ausstellung nur einen kleinen Teil der umfangreichen Sammlung zu den „Bremer Stadtmusikanten“ ausstellen, die wir im Brüder Grimm-Zentrum am Brüder Grimm-Platz zusammengetragen haben und die dort gerne weiter studiert werden kann. Eine eindrucksvolle Gestaltung des Themas findet sich aber auch bei uns in der Hauptstadt der Brüder Grimm, und daher finden Sie am Ende der Ausstellung im Kreishaus sechs Aquarelle zu den Bremer Stadtmusikanten, die der Kasseler Illustrator Markus Lefrancois geschaffen hat. BL