Die Brüder Grimm-Gesellschaft hat die Corona-Zeit für ein neues Projekt genutzt und zeigt vom 23. Juli bis zum 10. Oktober 2021 in ihren Ausstellungsräumen am Kasseler Brüder Gtimm-Platz 4 eine vergleichende Ausstellung zur deutschen und japanischen Märchentradition. Präsentiert werden u.a. wertvolle auf sog. “Schrumpfpapier” (jap.: “Chirimenbon”) gedruckte, mit wunderbaren Farbholzschnitten ausgestattete Ausgaben japanischer Märchen, die seit 1885 für den westlichen Markt produziert wurden, – darunter die Märchen von “Momotaro”, dem “Hasen von Inaba”, dem “Kampf der Krabe mit dem Affen” oder “Kachikachiyama” mit der Geschichte vom Hasen und dem Dachs. Aus der Grimmschen Märchensammlung sind herausragende Stücke zu dem “Wettlauf von Hase und Igel”, den “Bremer Stadtmusikanten” oder dem “Tapferen Schneiderlein” zu sehen. Kurios ist eine japanische Ausgabe vom Wolf und den sieben Geißlein aus dem Jahr 1889, die die Protagonisten des Märchens im japanischen Yukata und im Kimono auftreten läßt. Die Ausstellung umfaßt etwa 150 Dokumente vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Auch die persönliche Begegnung Jacob Grimms mit Vertretern der japanischen Handelsdelegation, die 1862 Berlin besuchte (siehe dazu auch den ausführlichen Artikel von Yoshiko Noguchi im Jahrbuch der Brüder Grimm-Gesellschaft 19-20, Kassel 2019), wird in der Ausstellung dokumentiert. Parallel zur Ausstellung haben wir einen märchenhaften Wettbewerb in verschiedenen Schulen durchgeführt, deren beste Arbeiten im Herbst mit Preisen ausgezeichnet werden sollen. Öffnungszeiten: Mo-Fr von 10 bis 13 Uhr und nach Vereinbarung. (bl)

Unsere Ausstellung zu dem Märchen vom “Gestiefelten Kater” im Dorfmuseum Oedelsheim an der Weser konnte im letzten Jahr coronabedingt nur kurze Zeit für das Publikum geöffnet werden. Jetzt geht es weiter, und wir hoffen, daß wir mit unseren Exponaten auch etwas gegen die Pandemie tun können! Gleichzeitig haben wir am Brüder Grimm-Platz in Kassel zahlreiche weitere Dokumente und Kunstwerke zum “Gestiefelten Kater” zusammengetragen, die wir hinkünftig bei weiteren Ausstellungen, Vorträgen und (wenn die Finanzen das zulassen) auch in einer kleinen Publikation vorstellen werden.

Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm Märchensammlung, Sprachforschung, Politik Von Hessen nach Deutschland und von Deutschland nach Europa Ausstellung und Vortragsreihe Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm gehören zu den bedeutendsten Geistespersönlichkeiten der europäischen Kulturgeschichte und haben mit ihren „Kinder- und Hausmärchen“ Weltruhm erlangt. Geboren in der landgräflich-hessischen Nebenresidenz Hanau und aufgewachsen in dem kleinen Landstädtchen Steinau an der Straße, haben sie nach dem Studium in Marburg die „arbeitsamste und fruchtbarste Zeit“ ihres Lebens in Kassel verbracht. In Göttingen arbeiteten sie später als Professoren und Bibliothekare, bevor sie nach Berlin an die Königliche Akademie der Wissenschaften gingen, wo sie noch zwei Jahrzehnte bis zu ihrem Tode wirkten. Ihr Lebensweg von Hanau über die Residenz Kassel der Landgrafschaft bzw. des späteren Kurfürstentums Hessen bis in die preußische und nachmalige deutsche Hauptstadt Berlin markiert ebenso wie ihr monumentales in viele Bereiche ausgreifendes Wirken den Aufstieg vom „Kleinen und Unbedeutenden“ zu großen und weitgefaßten Wissenszusammenhängen. In aller Welt bekannt wurden Jacob und Wilhelm Grimm mit ihren 1812 und 1815 erstmals erschienenen Märchen, die bis heute in über 180 Sprachen und Kulturdialekte übersetzt wurden und, meist von Illustrationen begleitet, in millionenfacher Auflage verbreitet wurden. Neben der Luther-Bibel stellt die Grimmsche Märchensammlung das bekannteste und berühmteste deutsche Buch dar. Methodisch dachten die Brüder Grimm aber nie in den engen Grenzen ihres eigenen Landes, sondern sie haben immer auch den inneren Zusammenhang und die vielfältigen gegenseitigen Einflüsse anderer europäischer Länder und Regionen in den Blick genommen. Sie gehören zu den Gelehrten in Deutschland, die schon im 19. Jahrhundert europäisch gedacht und gehandelt haben. Das zeigt auch ihr politisches Wirken, das beseelt war von einer klaren historischen und völkerverbindenden Konzeption. In Kassel, der Stadt ihres längsten Wirkens, pflegt die Brüder Grimm-Gesellschaft seit 1897 (mit einigen zeitbedingten Unterbrechungen) das Erbe von Jacob und Wilhelm Grimm und präsentiert in ihrem Brüder Grimm-Zentrum am Brüder Grimm-Platz – direkt gegenüber der nördlichen Torwache, in der die Geschwister Grimm von 1814 bis 1822 wohnten – das Leben und Wirken der Märchensammler und Sprachforscher im Kontext ihrer Zeit. „Es war vielleicht gerade Zeit, diese Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltner werden …“, – heißt es 1812 in der Vorrede zu den Märchen der Brüder Grimm. Über zweihundert Texte haben Jacob und Wilhelm Grimm schließlich zusammengetragen, wobei sie – vornehmlich in und von Kassel aus – sowohl aus mündlicher Überlieferung als auch aus schriftlichen Quellen geschöpft haben. Während Erinnerungen und Erlebnisse aus der eigenen Kindheit für die Grimmschen Märchen- und Sagensammlungen überlieferungsgeschichtlich kaum eine Rolle spielten, kam der entscheidende Anstoß zur Beschäftigung mit der „Volkspoesie“ in ihrer Marburger Studienzeit. Hier lernten Jacob und Wilhelm Grimm bei ihrem Lehrer, dem Rechtshistoriker Friedrich Carl v. Savigny, dessen Schwager Clemens Brentano kennen, der sie mit den Bestrebungen der Heidelberger Romantik vertraut machte. Die Brüder Grimm sind aber nicht sagen- und märchensammelnd über Land gezogen. Auch ist der Anteil der „einfachen Leute“ an ihren Märchen und Sagen eher gering. Vielmehr wurden sie von über fünfzig Märchenbeiträgerinnen und Märchenbeiträgern vor allem aus Hessen und Westfalen unterstützt, die, wie sie selbst, vornehmlich aus den gebildeteren und wohlhabenden Schichten der Gesellschaft stammten und zumeist auch jüngeren Alters waren. So erfuhren sie zahlreiche Märchen aus den Kasseler Bürgerfamilien Wild und Hassenpflug. Aus der Schwalm kamen ihnen wichtige Texte durch die Pfarrerstochter Friederike Mannel und den Pfarrkandidaten Ferdinand Siebert zu. Aus Westfalen erhielten sie bedeutende Beiträge durch die Familie der Freiherren v. Haxthausen und durch die Schwestern Annette und Jenny v. Droste-Hülshoff. Nur die Gastwirtstochter und Schneidersfrau Dorothea Viehmann aus dem bei Kassel gelegenen Dorf „Zwehrn“ kam ihrer romantischen Vorstellung einer „Märchenfrau“ aus dem Volke nahe. Überdies haben die Brüder Grimm (und teilweise auch wohl ihre Informanten) aus schriftlichen Quellen geschöpft, aus mittelalterlichen Versnovellen und Legenden, aus Schwank- und Anekdotenbüchern, aus Tierfabelsammlungen und Wunderzeichenbüchern und auch aus literarischen Werken des 17. und 18. Jahrhunderts. Gefragt werden muß auch nach der kulturellen Zuordnung der Grimmschen Märchen in Hessen und Deutschland. „In diesen Volks-Märchen liegt lauter urdeutscher Mythus, den man für verloren gehalten“, – heißt es 1815 in der Vorrede zum zweiten Band der „Kinder- und Hausmärchen“. An gleicher Stelle wird von den „ächt hessischen“ Märchen der Dorothea Viehmann oder von dem „rein deutschen“ Ursprung der Märchen gesprochen. Aber auch den Brüdern Grimm war die enge Verwandtschaft einiger ihrer Märchen mit der romanischen Überlieferung in Italien und Frankreich bewußt. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken sind ihre Märchen im Titel nicht mit dem Attribut „deutsch“ belegt. Zwei in der Erstausgabe enthaltene Märchen, nämlich „Ritter Blaubart“ und „Der gestiefelte Kater“, haben sie später gar wieder aus der Sammlung herausgenommen, weil ihnen die Nähe zu Charles Perraults „La Barbe Bleue“ und „Le Maître Chat, ou le Chat Botté“ selbst zu offensichtlich erschien. Die besonders häufige Überschneidung vieler ihrer Märchentexte mit der romanischen Überlieferungstradition erklärt sich auch aus der Tatsache der hugenottischen Abstammung der bedeutendsten Kasseler Märchenbeiträger: Marie Hassenpflug und Dorothea Viehmann. Jedoch bei weitem nicht alle Texte der Sammlung sind italienischen oder französischen Vorbildern verpflichtet; dazu ist sie zu reichhaltig und vielschichtig. Die Märchen sind vielmehr, wie die Brüder Grimm später formulierten, „überall zu Hause“, bei allen Völkern und in allen Ländern. Jacob und Wilhelm unterhielten fachliche und freundschaftliche Beziehungen zu vielen bedeutenden Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern ihrer Zeit aus ganz Europa und waren auch Mitglieder zahlreicher ausländischer gelehrter Gesellschaften und Akademien. Gerade weil sie die Geschichte ihres eigenen Volkes in umfassender Weise kannten, war ihr Verhältnis zu anderen Ländern und Kulturen sehr differenziert und aufgeschlossen. „(…) so konnte nicht fehlen, dasz von unserm eigensten und unmittelbarsten standpunct aus zugleich der blick auf die uns benachbarten (…) sprachen lebhafter geworfen wurde, welchen allmählich alle die nemliche geschichtliche bedeutung und betrachtung zu theil geworden ist oder zweifelsohne werden wird. auf solche weise haben sich, wo nicht alle, doch die meisten glieder einer groszen fast unabsehbaren sprachkette gefunden, die in ihren wurzeln und flexionen aus Asien bis her zu uns reicht (…)“ – schreibt Jacob Grimm 1851. Und Wilhelm Grimm schrieb 1843: „Wie kein einzelner Mensch, so kann auch kein Volk für sich bestehen. In der Berührung mit andern entwickeln sich die besten Kräfte, wird man seiner Eigentümlichkeit erst bewußt (…). Wer sein Licht einsam brennt, kann es nicht bei dem Nachbar wieder anzünden, wenn es der Wind ausgelöscht hat (…). Die Titel der Grimmschen Werke lesen sich denn auch wie eine weit ausgreifende europäische Kulturgeschichte, in der beinahe jedes europäische Volk mit seiner Sprache, seiner Literatur und seiner Geschichte Berücksichtigung gefunden hat. Überdies waren die Sprach- und Literaturforschungen der Brüder Grimm häufig unmittelbares Vorbild für das Entstehen nationaler Philologien und haben vor allem die Keltistik, die Romanistik, die Slawistik und sogar die Baltistik und Finno-Ugristik deutlich befruchtet. „Die wissenschaften erkennen keine grenzen“, – schrieb Jacob Grimm 1853, – „im gegentheil ihr streben geht dahin, die abgesteckten unterschiede der völker zu überschreiten und das band zu festigen, das in weitem umkreis zwischen allen geschlungen werden soll (…)“. Zur Europawoche 2021 präsentieren wir in unseren Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen am Kasseler Brüder Grimm-Platz zum einen das europäische Wirken der Brüder Grimm, zum anderen ihre Rezeption in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Für die Präsentation haben wir dafür zahlreiche biographische und zeitgeschichtliche Dokumente aufgearbeitet und die Rezeption die „Kinder- und Hausmärchen“ in vielen europäischen Sprachen und Kulturdialekten mit illustrierten Ausgaben vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart dargestellt. Da die Pandemie anhält, wird die Ausstellung für einen längeren Zeitraum bereitgehalten; weitere Informationen, insbes. zu digitalen Formaten, werden derzeit zusammengestellt und demnächst hier präsentiert. Wir danken dem Hessischen Europa-Ministerium herzlich für die uns gewährte Unterstützung. bl + mj

In diesen Tagen ist unser neues Brüder Grimm-Journal mit wiederum 48 Seiten und vielen farbigen Illustrationen in den Druck gegangen und wird dann im Mai an unsere Mitglieder als Jahresgabe verschickt. Es kostet nach wie vor nur fünf Euro und kann gerne bei unserer Geschäftsstelle bestellt werden (zuzügl. Versand in Deutschland = 1,55 Euro; Ausland = 4,90 Euro). Das neue Heft enthält u.a. einen ausführlichen Bericht über unsere große Märchenausstellung in Flandern aus Anlaß des 200. Jubiläums der ersten ausländischen Buchausgabe der “Kinder- und Hausmärchen” (Amsterdam 1820), ferner einen Bericht über die elektronische Edition Grimmscher Briefwechsel, die Präsentation einer großen privaten Märchensammlung, eine umfangreiche Darstellung zur Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte des “Gestiefelten Kater” sowie zahlreiche Rezensionen zur neusten Grimm-Literatur und kurze Berichte zu den weltweiten Aktivitäten der Brüder Grimm-Gesellschaft.

Pünktlich zu den Olympischen Spielen 2021 in Japan bereitet die Brüder Grimm-Gesellschaft einen kreativen Wettbewerb für Schulen mit begleitender Ausstellung vor. Dabei sollen kulturelle Bildung und sportlicher Wettkampf in einem öffentlichkeitswirksamen Umfeld verknüpft werden. Ziel des Wettbewerbs und der Ausstellung ist es, verschiedene olympische Sportarten mit konkreten Motiven aus deutschen und japanischen Märchen gestalterisch zu verknüpfen, etwa Turnen mit den „Bremer Stadtmusikanten“, Schwimmen mit dem „Froschkönig“, Laufen mit „Hase und Igel“, Werfen mit dem „Tapferen Schneiderlein“, Klettern mit „Rapunzel“ oder Rudern mit dem „Teufel mit den drei goldenen Haaren“. Auch japanische Märchen mit Bezug zum Thema sollen einbezogen werden, z.B. „Momotaro, der Junge aus dem Pfirsich“ oder „Kintaro, der starke Krieger“, die sich durch körperliche Geschicklichkeit und Stärke bewähren. Der Wettbewerb richtet sich an Kinder in Deutschland und Japan, für den die Brüder Grimm-Gesellschaft verschiedene Preise (z.B. Nachprägungen des vom hessischen Landgrafen Friedrich II. gestifteten sog. „Sterntalers“, nach dem das gleichnamige Märchen benannt ist) in Aussicht stellt. Texte und Bilder zu den Märchen findet man im Internet unter folgenden Links: Grimms Märchen http://grimms.de/de/content/m%C3%A4rchen-und-sagen https://de.wikipedia.org/wiki/Grimms_M%C3%A4rchen https://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/list Japanische Märchen Momotaro, der Junge aus dem Pfirsich: https://de.wikipedia.org/wiki/Momotar%C5%8D Kintaro, der starke Krieger: https://en.wikipedia.org/wiki/Kintar%C5%8D Urashima Taro: https://en.wikipedia.org/wiki/Urashima_Tar%C5%8D Die Krabbe und der Affe: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Crab_and_the_Monkey Die Unterlagen zum Wettbewerb können auf Anfrage ab sofort an interessierte Schulen versandt werden.

Für das Jahr 2021 hat die Brüder Grimm-Gesellschaft wieder einen märchenhaften Kalender herausgegeben. Grundlage für die zauberhaften Bilder ist die französische Zeitschrift „Nos Loisirs“, die im Juli 1906 in Paris vom Verlag „Le Petit Parisien“ gegründet wurde und mit einigen zeitbedingten Unterbrechungen bis Januar 1940 erschien. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erschienen hier als Beilagen für Kinder auf einfachem Zeitungspapier im Format 42 x 29,6 cm reich illustrierte Hefte mit dem Titel „Les beaux contes“ (Die schönsten Märchen). Geschaffen hat sie der italienische Maler Alfredo Vaccari, der am 16. April 1877 in Turin geboren wurde. Er studierte zunächst an der Brera in Mailand, später machte er sich vor allem als Tiermaler einen Namen. In Italien und später in Paris sicherte er sich seinen Broterwerb durch Beiträge für Sport- und Freizeitmagazine. Er verstarb am 22. September 1933 in Turin. Der Kalender umfaßt zwölf großformatige Märchenbilder im Format A3 und stellt ein schönes Beispiel für die deutsch-französische Märchentradition dar. Er kann zum Preis von jetzt nur noch 9,90 Euro über die Adresse shop@grimms.de direkt bei der Brüder Grimm-Gesellschaft bestellt werden.

Aus Anlaß des 300. Geburtstages des “Lügenbarons” Hieronymus Carl Friedrich Freiherr v. Münchhausen (1720–1797) präsentiert die Brüder Grimm-Gesellschaft aus eigenen Beständen eine kleine, aber feine Jubiläumsausstellung. Wegen Corona ist die Ausstellung jedoch nur nach vorheriger telephonischer Anmeldung und nur mit Gesichtsmaske in kleineren Gruppen bis max. sechs Personen zu besichtigen. Ob unter dem Namen „Monsieur Crac“, „Baron Manx“ oder „Baron Castaña“, die Geschichten von Münchhausen sind auf der ganzen Welt bekannt. Dies ist den ursprünglichen Herausgebern Rudolf Erich Raspe (1736–1794) und Gottfried August Bürger (1747–1794) zu verdanken. Originär werden einzelne Aben-teuer in der Ich-Perspektive er-zählt, in denen mit einer scheinbar einfachen Logik Probleme gelöst werden. Darin sind immer auch Elemente von Angeberei enthalten, und es bleibt dem Zuhörer oder Leser überlassen, zu unterscheiden, was nun wahr oder gelogen ist. Rudolf Erich Raspes Fassung von Münchhausen erschien 1785 in London. Einige Forscher vermuten, dass er vor seiner Flucht nach England (1775) Münchhausen selbst beim Erzählen seiner Geschichten zugehört hat. Dies legt die Geschichte vom Ritt auf der Kanonenkugel nahe, die auf Münchhausens Kriegserlebnisse anspielen könnte. Neben weiteren eigenen Geschichten betrachtete Raspe auch wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragen seiner Zeit, die im Verlauf der Abenteuer behandelt werden. Dabei spielten auch seine Fachgebiete eine Rolle. So macht sein Münchhausen z.B. eine Reise zur Sonne mit dem 1783 erfundenen Heißluftballon oder arbeitet mit der 1781 verbesserten Watt’schen Dampfmaschine. Eines der markantesten Abenteuer ist jedoch der berühmte Entenflug. Hier reguliert Münchhausen die Geschwindigkeit der Enten, indem er deren Hals (im Original: „valve“; deutsch: „Ventil“) fester oder leichter drückt. Dieses Verfahren soll ein Vorbild für das Steuern der Geschwindigkeit bei modernen Verbrennungsmotoren gewesen sein. Mit dem raschen Erfolg der Geschichten kamen verschiedene Übersetzungen heraus. Am bedeutendsten war die des Göttinger Dichters Gottfried August Bürger von 1786. In seiner freien Rückübersetzung ins Deutsche fügte er seinen ganz eigenen Stil hinzu. Weiterhin erweiterte er das Werk um 15 Geschichten. Beeinflusst von Herders Volks-poesie-Konzept wollte Bürger Literatur für das gesamte Volk zugänglich machen und nicht nur für Gebildete. Um dies zu erreichen, vereinfachte er viele komplexe Zusammenhänge und fügte satirische Aspekte ein. Bürger erfand für seinen Münchhausen die neue Gattung des „Spielwitzes“. Dabei verband er bekannte Darstellungen mit falschen Objekten, sodass beispielsweise Töne wie Wasser auftauen. Es entwickelten sich zwei verschiedene Münchhausenfiguren: eine deutsche und eine englische. Während erstere sich an Bürgers Vorbild hält, orientiert sich letztere an Raspes Aufzeichnungen und passt sich dem maritimen englischen Leben an, z.B. durch zusätzliche Schiffsfahrten nach Kanada. Durch das Kombinieren beider Charaktere entwickelten sich die Geschichten zu einem der erfolgreichsten Bücher der Weltliteratur. Heute wird Münchhausens Erbe an vielen Orten gepflegt. Umfang-reiche Bestände findet man im Münchhausen-Museum Bodenwerder und in der Göttinger Universitätsbibliothek, ferner in der bedeutenden privaten Sammlung von Bernhard Wiebel in Zürich. Im lettischen Dunte (Dunteshof) ist nach dem Ende der Sowjet-Herrschaft gar eine ganze „Münchhausen-Welt“ als Freizeitpark aufgebaut worden.

Vom 8. Juli bis 25. Oktober 2020 sind die Brüder Grimm im Hohenzollerischen Landesmuseum zu Hechingen zu Gast (siehe auch: www.hzl-museum.de). Die neu zusammengestellte Ausstellung zeigt in ihrem ersten Teil das in einer beispiellosen brüderlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft vollbrachte Wirken der Kasseler Sprachforscher und Märchensammler. Dabei wird auch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. gedacht, der für die Hechinger Hohenzollernburg eine besondere Zuneigung hegte und diese später mit beträchtlichen Mitteln ausbauen ließ; in unserer Ausstellung ist sein Porträt nach Franz Krüger zu sehen, das in 1990er Jahren aus hessischem Adelsbesitz erworben werden konnte. Friedrich Wilhelm IV. hat bekanntlich die Brüder Grimm, die 1837 wegen ihrer Teilnahme am Protest der „Göttinger Sieben“ aus dem hannoverschen Staatsdienst entlassen wurden, 1840 an die Berliner Akademie der Wissenschaften berufen. Die Ausstellung würdigt die Leistung der Brüder Grimm im europäischen Kontext mit zahlreichen wertvollen originalen Erstausgaben der Märchentradition (von Apuleius, Straparola und Basile über Charles Perrault bis zu den Brüdern und ihrer Zeit selbst) und zeigt herausragende Beispiele der Märchenillustration des 19., 20. und 21. Jahrhunderts. Ein spezielles Mitmachprogramm ist den Kindern gewidmet; außerdem wird in einem besonderen Raum noch das Märchenwerk von Otto Ubbelohde vorgestellt. bl

Aus Anlaß der ersten niederländischen Ausgabe der „Kinder-und Hausmärchen“ der Brüder Grimm (1820 – 2020) zeigt die Brüder Grimm-Gesellschaft vom 1. Juli bis 30. August 2020 eine große Brüder Grimm-Ausstellung im Deutschordensschloß zu Alden Biesen (Belgien). Vor 200 Jahren (1820) erschien zu Amsterdam unter dem Titel „Sprookjes Boek voor Kinderen“ (Märchenbuch für die Kinder) die erste niederländische Ausgabe der berühmten „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm; es war zugleich die überhaupt erste ausländische Buchausgabe der Grimmschen Märchen, und sie enthielt – fünf Jahre vor der sog. „Kleinen Ausgabe“ in Deutschland mit den sieben bekannten Bildern von Ludwig Emil Grimm (1825) – bereits vier ganzseitige Illustrationen eines unbekannten Künstlers. Aus diesem Anlaß präsentiert die in Brüder Grimm-Gesellschaft diese große Ausstellung in niederländischer und deutscher Sprache, die zum einen das Leben und Wirken der Kasseler Märchensammler und Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm, zum anderen die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte ihrer Märchensammlung mit mehr als 250 Exponaten darstellt. Die im 13. Jahrhundert gegründete Deutschordensballei Alden Biesen – in der belgischen Provinz Limburg gelegen – bildet mit dem aus dem Renaissance stammenden mächtigen Schloß den geeigneten Rahmen für die Märchenwelt der Brüder Grimm. Das Deutschordensschloß Alden Biesen im Ortsteil Rijkhoven der heutigen Stadt Bilzen ist eines der größten Schlösser zwischen Loire und Rhein. Die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm sind weltbekannt. Bis heute lassen sich Übersetzungen in mehr als 180 Sprachen und Kulturdialekte aller Erdteile nachweisen. Die Gesamtauflage aller Einzel-, Teil- und Gesamtausgaben dürfte inzwischen die Milliardengrenze weit überschritten haben. Die Grimmsche Märchensammlung ist damit neben der Luther-Bibel das meistverbreitete und meistübersetzte Buch der deutschen Kulturgeschichte. Auf Antrag der Brüder Grimm-Gesellschaft wurde die Grimmsche Sammlung 2005 in das „Weltdokumentenerbe“ der Unesco aufgenommen. Im Antrag schrieb dazu der Geschäftsführer und Museumsleiter der Brüder Grimm-Gesellschaft: „Die Kinder- und Hausmärchen gleichen einem Hohlspiegel, der eine durch mehrere Kulturen geprägte Märchentradition einfängt, in neuer Form zusammenfasst, bündelt und so zurückstrahlt, daß eine neue Tradition daraus erwächst und, gebunden an das Werk, weltweite Wirkung entfaltet. Die internationale Verbreitung der Grimmschen Märchen ist ein Ausweis ihres exemplarischen Charakters, der – in der deutschen Romantik verwurzelt – die Poesie der menschlichen Vorstellungswelt in universell gültiger Form ergriffen und niedergelegt hat“ (Bernhard Lauer, 2004). Seit mehr als einhundert Jahren sammelt die Brüder Grimm-Gesellschaft in Kassel aus der ganzen Welt Zeugnisse zu Leben, Werk und Wirkung von Jacob und Wilhelm Grimm. Die Ausstellung im Deutschordensschloß zu Alden Biesen zeigt daraus in ihrem ersten Teil das in einer beispiellosen brüderlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft vollbrachte Wirken der Kasseler Sprachforscher und Märchensammler. Präsentiert werden historische Dokumente und bildliche Zeugnisse, teils geschaffen von dem jüngeren Bruder Ludwig Emil Grimm, der sich als Zeichner und Maler einen Namen gemacht hat. Im zweiten Teil der Ausstellung wird mit zahlreichen wertvollen illustrierten Ausgaben, Zeichnungen und graphischen Blättern, Bilderbogen, Schulwandbildern und anderen Objekten ein repräsentativer Querschnitt durch die wunderbare Märchenwelt der Brüder Grimm vorgestellt. Zehn der bekanntesten Märchen der Grimmschen Sammlung (Dornröschen, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Der Froschkönig, Aschenputtel, Sneewittchern, Rumpelstilzchen, Das tapfere Scheiderlein, Rapunzel und Der Gestiefelte Kater) werden im Schloß zu Alden Biesen in ihrer spezifischen Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte in kleinen Kabinetten dargestellt. Die Ausstellung richtet sich sowohl an Kinder als auch an Erwachsene und ist die erste große Märchenausstellung, die seitens der Brüder Grimm-Gesellschaft in Belgien – nach der großen Jubiläumsausstellung 1989 in Brüssel – veranstaltet wird. In diesen schwierigen Corona-Zeiten wurde für den Rundgang durch die Ausstellung im Schloß zu Alden Biesen ein spezielles Hygiene-Konzept entwickelt und auch umgesetzt. Die Ausstellung widmet sich auch den Beziehungen der Brüder Grimm zu Flandern und den Niederlanden. Die niederländische Sprache und Literatur spielte nämlich für die Arbeiten der Brüder Grimm von Anfang an eine große Rolle und führte zu zahlreichen brieflichen und persönlichen Verbindungen zu so herausragenden Schriftstellern und Gelehrten wie beispielsweise Hendrik Willem Tydeman (1778–1863), Jacobus Scheltema (1767–1835), Willem Bilderdijk (1756–1831), Joast Hiddes Halbertsma (1789–1869), Jan Frans Willems (1793–1846), Willem Jozeph Andries Jonckbloet (1817–1885) und Matthias de Vries (1820–1892). Umgekehrt kam eben schon sehr früh eine erste niederländische Teilübersetzung der „Kinder- und Hausmärchen“ 1820 unter dem Titel „Sprookjes-Boek voor Kinderen“ in Amsterdam herauskam. Seither ist die Grimmsche Märchensammlung in vielfältiger Weise in den Niederlanden und in Belgien verbreitet und hat hier insbesondere auch das Interesse zahlreicher Künstler gefunden. 1834 gab Jacob Grimm überdies sein mehr als 700 Seiten umfassendes Buch über „Reinhart Fuchs“ (Berlin 1834) heraus, in dem er u.a. auch die niederländische Version „Van den Vos Reinaerde“ abdruckte. Im September 1834 reiste er dann selbst, „nach thierfabeln begierig“, nach Brüssel und entdeckte dort unter Handschriften der Burgundischen Bibliothek“ die mittellateinische Tierfabel „Ecbasis captivi“„ (d.i.: „Flucht eines Gefangenen“). Diese gab er zusammen mit Andreas Schmeller in dem Sammelband „Lateinische Gedichte des X. und XI. Jahrhunderts“ (Göttingen 1838) heraus. Ausstellung: Brüder Grimm-Gesellschaft – Konzept: Dr. Bernhard Lauer – Organisation Kassel: Martin John und Maia Schillmann – Organisation in Berlin: Patricia Vincent und Patrick Cornelissen