15 Jahre Welterbe

Seit fünfzehn Jahren gehören die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (zuerst in zwei Bänden 1812 und 1815 in Berlin erschienen) auf Antrag der Brüder Grimm-Gesellschaft zum “Weltdokumentenerbe” der Unesco. Sie wurden auf der am 17. Juni 2005 in Lijang (Volksrepublik China) abgehaltenen Weltkonferenz der UNESCO als „Weltdokumentenerbe“ (Memory of the World · Mémoire Documentaire du Monde) anerkannt.

In dem vom Geschäftsführer der Brüder Grimm-Gesellschaft inhaltlich erstellten und am 8. April 2004 vom Vorstand eingereichten Antrag heißt es programmatisch:

“Die Kinder- und Hausmärchen (KHM) der Brüder Grimm sind neben der Luther-Bibel das bekannteste und weltweit meistverbreitete Buch der deutschen Kulturgeschichte. Sie sind zugleich die erste systematische Zusammenfassung und wissenschaftliche Dokumentation der gesamten europäischen und orientalischen Märchentradition. Übersetzungen in über 160 Sprachen und Kulturdialekte aller Erdteile lassen sich nachweisen.

Die Kinder- und Hausmärchen gleichen einem Hohlspiegel, der eine durch mehrere Kulturen geprägte Märchentradition einfängt, in neuer Form zusammenfaßt, bündelt und so zurückstrahlt, daß eine neue Tradition daraus erwächst und, gebunden an das Werk, weltweite Wirkung entfaltet. Die internationale Verbreitung der Grimmschen Märchen ist ein Ausweis ihres exemplarischen Charakters, der – in der deutschen Romantik verwurzelt – die Poesie der menschlichen Vorstellungswelt in universell gültiger Form ergriffen und niedergelegt hat. Die Einzigartigkeit und globale Wirkung dieser Sammlung geht darauf zurück, daß die Brüder Grimm in der literarischen Codierung der vorliterarischen Überlieferung die deutsche und europäische Bezugswelt überschritten und ein universelles Muster völkerüber-greifender Märchenüberlieferung geschaffen haben.” (Bernhard Lauer, 2004)

Weiter heißt es in dem vom der Unesco angenommenen Antrag der Brüder Grimm-Gesellschaft:

“Die wesentlichen Handschriften und Quellen zu den Kinder- und Hausmärchen, die für eine Präsentation als Weltdokumentenerbe aufgearbeitet werden müssen, bestehen aus den nachfolgend beschriebenen Positionen:

1. Die Handexemplare der Kinder- und Hausmärchen (insbes. die ersten beiden Auflagen von 1812–1815 und 1819–22 sowie die Ausgabe letzter Hand von 1856–1857 mit zahlreichen handschriftlichen Notizen, Kommentaren und längeren Beischriften der Brüder Grimm zu zuletzt 200 verschiedenen Märchentexten und zehn Kinderlegenden (sämtlich vorhanden im Brüder Grimm-Museum Kassel);
2. Die sog. Ölenberger Märchenhandschrfit der Brüder Grimm mit 51 Märchentexten, angefertigt 1810 für den Freund und romantischen Dichter Clemens Brentano und in seinem Nachlaß überliefert (vorhanden in der Biblioteca Bodmeriana in Genf; synoptische Edition 1975 durch Heinz Rölleke);
3. Etwa dreißig weitere (teils fragmentarische) Märchenhandschriften und andere Quellendokumente zu den Kinder- und Hausmärchen (vorhanden in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, der Universitätsbibliothek Marburg, im Brüder Grimm-Museum Kassel u.a. sowie in Privatbesitz).

Für die Wirkungsgeschichte der Grimmschen Sammlung wesentlich sind auch die frühen dänischen, niederländischen, englischen, französischen, russischen, japanischen, chinesischen und anderen Übersetzungen, die überwiegend in z.T. unikalen Ausgaben im Brüder Grimm-Museum Kassel vorhanden sind und im Rahmen der Dokumentation ebenfalls erfaßt werden müssen.” (Bernhard Lauer, 2004)

Die Brüder Grimm-Gesellschaft freut sich über das in den letzten fünfzehn Jahren in aller Welt erheblich gesteigerte Interesse am Leben und Wirken der Kasseler Märchensammler und Sprachforscher. Am Kasseler Brüder Grimm-Platz hat sie inzwischen ein oft genutztes Informations- und Dokumentationszentrum eingerichtet, in dem man Antworten zu allen Fragen der Grimm-Philologie und Märchenforschung finden kann. Gleichzeitig ist die Brüder Grimm-Gesellschaft weltweit aktiv mit zahlreichen Ausstellungs-, Tagungs- und Publikationsprojekten und setzt so die erfolgreiche Arbeit und Tradition des Brüder Grimm-Museums fort.